Migräne ist eine neurologische Erkrankung, unter der etwa 10% der Deutschen leiden. Dabei werden die Symptome von anderen häufig eher verharmlost, belächelt oder als Ausrede abgetan. Frauen leiden etwa 3x so häufig darunter als Männer – was nicht gerade hilft, um den Vorurteilen zu entgehen und es aus der Kategorie „Frauenkrankheit“ heraus zu holen. Dabei handelt es sich nicht nur um Kopfschmerzen, sondern auch starke Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, manchmal auch Wahrnehmungsstörungen (optisch, taktil, motorisch), die als Vorbote auch als „Aura“ bezeichnet werden. Die Diagnose wird auf Basis der Symptome gestellt und muss andere Kopfschmerzformen (Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz) oder andere Erkrankungen als Ursache ausschließen. Die genauen Ursachen der Migräne sind noch nicht geklärt. Es gibt einige Hypothesen und inzwischen Akut- und prophylaktische Therapieansätze.
„Ich kriege Migräne“ ist ein Satz, den ich persönlich ungern sage, weil es so „überempfindlich“ wirkt, obwohl ich schon vorher spüre, dass sie kommt und in diesem Moment noch alles einigermaßen „normal“ von außen aussieht. Etwa 30% der Migränepatienten kennen diese „Vorboten“ ebenfalls. Oft hat man gerade noch genug Zeit, nach Hause zu kommen, sich von Licht und Geräuschen abzuschotten und das Telefon auszustöpseln, bevor man die nächsten Stunden seines Lebens einfach „verliert“. Ich habe dabei immer das Gefühl als würden die Grauen Herren aus Momo meine „Stundenblumen“ rauchen. <<Puff>>. 4-48h einfach weg. Völlig weg.
Warum schreibe ich einen Artikel zu diesem Thema? – In den letzten Tagen habe ich sowohl bei Twitter als auch in meinem Umfeld einige gehört/gelesen, die Migräne hatten, sich zurückziehen mussten und für die Ostern halb gelaufen war. Als ich in der Nacht selbst Migräne hatte, habe ich darüber nachgedacht, wie ich jahrelang resigniert damit umgegangen bin und was mir heute einigermaßen hilft und vielleicht geht es anderen ähnlich:
Ich habe Migräne seit ich 4 Jahre alt bin. In meiner Kindheit 1x die Woche. Später als Jugendliche (und nach einer Phase Akkupunkturbehandlung) nur noch ca. 1x im Monat, was schon eine enorme Erleichterung gewesen ist. Aber man kann sich vorstellen, wie viel Zeit ich im Bett verbracht habe, wenn eine Attacke etwa 1 Tag dauert. Bei mir ist es auch ein wenig Jahreszeitenabhängig. Schnelle Wetterwechsel erhöhen die Häufigkeit, vor allem von schlechtem auf gutes Wetter. Jeder hat seine eigenen Trigger, häufig Schlaf, Lebensrhythmus, Nahrungsmittel, Hormone, Stress, Lichtverhältnisse, u.a.
Wie jeder Migränepatient habe ich normale Schmerzmedikamente durch und auch in meiner Kindheit schon genommen, was natürlich durchaus eine Belastung für den Körper ist: Aspirin, Paracetamol, Dolormin in verschiedenen Darreichungsformen. Dabei habe ich trotzdem nie leichtfertig Tabletten genommen und irgendwann sogar gar nicht mehr, denn nichts half mehr. Nichts. Ich habe jede Attacke ausgehalten, mich zurückgezogen und gehofft, dass es bald vorbeigeht. Dabei konnte ich teilweise 48 h weder essen noch trinken, was zusätzlich für einen miserablen Zustand sorgte.
Ich hatte dann das Glück während des Studiums an einer Ringvorlesung über Chronische Schmerzen bei den Medizinern teilnehmen zu können. Eine der Vorlesungen drehte sich um Migräne und ich erfuhr das erste Mal von neuen Medikamenten, die helfen sollten: Triptane.
Seit den 90ern gibt es Medikamente aus der Gruppe der Triptane zur akuten Migränetherapie. Die unterschiedlichen Präparate unterscheiden sich u.a. in ihrer Pharmakokinetik (Aufnahme, Abbau, Verteilung im Körper, etc), ihrer ZNS- Gängigkeit (Vermögen, die Blut-Hirn Schranke zu passieren) und der Halbwertzeit (Zeitspanne zw. Maximalkonzentration und Abfall auf Hälfte des Stoffes im Blutplasma). Sie können als (Schmelz)Tabletten, Nasensprays oder subkutan verabreicht werden und müssen rechtzeitig (Anfang Migräneanfall! – nicht warten, bis es unerträglich wird) eingenommen werden. Bei Daueranwendung kann die Gefahr eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes auftreten, als Notfallmedikament bei nicht zu häufigen Migräneanfällen ist es jedoch enorm hilfreich. Unterschiedliche Präparate können auch unterschiedlich gut wirken – es macht auch bei Nichtansprechen auf eines davon Sinn, ein anderes aus der gleichen Wirkstoffgruppe zu probieren.
Ich habe inzwischen ein Medikament aus diesem Bereich gefunden, das bei mir in etwa 85% der Fälle wirkt. Das hat mir eine enorme Lebensqualität zurückerobert. Ich nehme nicht gerne Medikamente und ich empfehle sie auch nicht leichtfertig. Aber was ich mit diesem Artikel sagen möchte: falls Ihr die letzten Jahre aufgegeben hattet, dass etwas hilft, informiert Euch bei Eurem Arzt. Diese Medikamentengruppe ist verschreibungspflichtig (obwohl es Formigran beispielsweise als 2 Tabl. Packung verschreibungsfrei gibt -aber das hilft bei mir beispielsweise gar nicht). Es ergibt Sinn, Eurem Körper nicht ständig Schmerzen zuzumuten. Wir besitzen ein Schmerzgedächtnis, das uns letztlich bei Dauerbelastung viel empfindlicher und schmerzsensibler macht. Ein Unterbrechen dieser Dynamik ist insbesondere bei „Schmerzen ohne direkten Warncharakter“ wie Migräne (im Gegensatz zu Verletzungsschmerzen) sinnvoll, was jeder Schmerztherapeut bestätigen wird.
Ich bin hier nur auf den Therapiebereich eingegangen, der mir persönlich geholfen hat. Migräne an sich ist noch nicht heilbar. Aber die Intensität, Dauer und Häufigkeit von Attacken kann eingegrenzt werden. Es gibt noch andere prophylaktische Therapien und Schmerzmittel und ich kann nur raten, sich darüber zu informieren und die eigenen Trigger zu analysieren und minimieren, so gut es geht.
Eure Stundenblumen gehören Euch.